Rückblick auf 16 Jahre als Stadtingenieur in Bern

Hans-Peter Wyss, ehemaliger Stadtingenieur Bern, Dezember 2017

Sie waren fast 16 Jahre lang Berns Stadtingenieur. Hatten Sie je schlaflose Nächte?

Ja, die eine oder andere schon (lacht).

Oft? 

Spontan erinnere ich mich an zwei. Am 2. Februar 2007 barst fünf Tage nach dem Baustart für den neuen Bahnhofplatz in der Schwanengasse eine Wasserleitung. Wasser lief in die Elektroschächte, der Strom in der Umgebung fiel aus. Irgendwann lief das Wasser durch die Bundesgasse und weiter die Monbijoustrasse hinunter. Wir mussten sehr schnell reagieren, auch kommunikativ. Walter Langenegger, der Leiter des Informationsdienstes der Stadt Bern, hatte damals gerade seinen zweiten Arbeitstag in dieser Funktion. Obwohl wir uns nicht kannten, haben wir hervorragend miteinander funktioniert. Schlaflos war die Nacht, weil wir uns ständig fragten: Wie hätten wir das verhindern können?

Hätte es sich denn verhindern lassen?

Nein. Die Leitung barst nicht bei Grabungsarbeiten, sondern aufgrund von Vibrationen beim Entfernen der Tramgleise. Aber dennoch: Wir kannten die exakte Lage dieser Wasserleitung nicht. Deshalb haben wir beim Tiefbauamt das Ziel, in Zukunft den Untergrund in digitalisierter Form und dreidimensional zu kennen. Etwa im Abwasserbereich sind wir heute schon soweit. Wir müssen den Untergrund gleich gut kennen wie die sichtbaren oberirdischen Bauten.

Und die zweite schlaflose Nacht?

Das war am 8. Mai 2002, am Tag, als ich vom Gemeinderat zum Stadtingenieur gewählt wurde. Ich war ja zwei Jahre zuvor aus der Privatwirtschaft in die Verwaltung gekommen und machte mir viele Gedanken. Was kommt da auf mich zu? Wie funktioniere ich, der ich aus der Privatwirtschaft kam, mit der Politik? Und auch: Kann ich das?

Sie konnten es. Welches Projekt lag Ihnen in den über fünfzehn Jahren Ihres Wirkens als Stadtingenieur besonders am Herzen?

Mir lagen viele Projekte am Herzen. Aber wenn ich mich für eines entscheiden muss: Es war der Umbau des Bundesplatzes, das Projekt mit der grössten Ausstrahlung, am prestigeträchtigsten Ort in der Stadt. Wie Sie wissen, haben wir bei der Neugestaltung fast 100 Parkplätze aufgehoben. Es gab viel Lob für das Ansinnen – aber auch viel Kritik. Die ganze Schweiz schaute damals nach Bern

Welches Projekt hat aus Ihrer Sicht die Stadt Bern am meisten verändert?

Die neue Überbauung Brünnen-Westside mit dem Freizeit- und Einkaufszentrum, mitsamt all den verschiedenen Anschlüssen des öffentlichen Verkehrs. Mit der Inbetriebnahme des Trams Bern West Ende 2010 hat im Westen Berns eine Aufwertung des öffentlichen Raumes eingesetzt. Bümpliz/Bethlehem hat ein neues Gesicht erhalten. Die Mehrheit der dortigen Stimmberechtigten hat das Tramprojekt damals zwar abgelehnt, doch es gibt viele Kritiker, die mir heute sagen: Zum Glück ist das Projekt damals zustande gekommen.

Wie definieren Sie Urbanität und was muss ein urbaner Raum zur Verfügung stellen?

Urbanität heisst für mich Dichte, Lebendigkeit und Vielfalt – auch im öffentlichen Raum. Dieser Raum soll möglichst unverstellt und vielseitig nutzbar sein, er soll einladend wirken, soll die Menschen, die hierleben und arbeiten, anregen, sich darin aufzuhalten und zu bewegen. Alle Verkehrsarten, insbesondere aber der öffentliche Verkehr sowie der Velo- und Fussverkehr, sollen funktionieren und die Menschen sollen jederzeit frei – auch hindernisfrei! – zirkulieren können.

Basel entstehen Wolkenkratzer, in Genf steht seit neustem eine technisch und ästhetisch herausragende Fussgängerbrücke, in Winterthur entsteht auf dem ehemaligen Sulzerareal ein neuer Stadtteil mit einer beeindruckenden baulichen Diversität und zukunftsorientierter Bauplanung. Bern scheint im Gegensatz dazu sehr konservativ. Teilen Sie diese Einschätzung?

Ja. Aber Bern ist die Bundesstadt, und zu einer Bundesstadt gehört eine gewisse Beständigkeit. Wir haben eine andere Ausrichtung als zum Beispiel Zürich oder Genf: Wir sind weder nationales Wirtschaftszentrum noch internationale Diplomatenstadt – wir sind das politische Zentrum der Schweiz, da sind permanente Veränderungen nicht opportun, auch nicht im Städtebau. Was nicht heisst, dass wir nicht auch sehr gute Projekte haben: die Überbauung des Gaswerkareals und des Viererfeldes, die geplante Fuss- und Velobrücke vom Breitenrain-ins Länggassquartier. Letzteres ist ein Leuchtturmprojekt für die Stadt Bern. Bern ist eine Brückenstadt, sie hat sich erst mit den Brücken zu dem entwickelt, was sie heute ist. Und Bern ist eine Velostadt – darum passt eine Fuss- und Velobrücke wunderbar nach Bern. Aber solche Projekte brauchen Zeit – in einer Bundesstadt erst recht.

Als Stadtingenieur in Bern hat man immer auch mit der Politik zu tun. Wie schafft man es, bei grossen und wichtigen Infrastrukturprojekten das Spannungsfeld zwischen kurzfristigen politischen und langfristigen planerischen Interessen zuschliessen?

Als ich vor bald 16 Jahren aus der Privatwirtschaft in die Stadtverwaltung wechselte, hatte ich keine Erfahrung mit den politischen Prozessen und entsprechend grossen Respekt. Aber ich habe rasch Geschmack gefunden an diesem fein austarierten Prozess – auch, weil ich gute Lehrmeister hatte und bereit war, ständig dazuzulernen. Heute kann ich sagen: Das Wichtigste ist das gegenseitige Vertrauen und dieses erreicht man nur mit transparenter Kommunikation, mit regelmässigem Austausch zwischen den politischen Gremien und den Fachämtern, mit Verlässlichkeit und Kompromissbereitschaft. Die planenden und bauenden Dienststellen haben ein virulentes Interesse, die Politik möglichst früh in Projekte einzubeziehen und den Gemeinde- und Stadträtinnen und -räten das Meccano eines Bauvorhabens verständlich zu machen. Das ist ein partizipativer Prozess.

Welchen politischen Stellenwert hat der Infrastrukturunterhalt in Bern?

Dem Gemeinde- und Stadtrat in Bern ist es sehr wohl bewusst, dass man zur Infrastruktur Sorge tragen und dafür auch Geld zur Verfügung stellen muss. Eine funktionierende und gut unterhaltene Infrastruktur ist nicht nur unabdingbare Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität und für das Funktionieren der Gesellschaft, sie ist auch die Voraussetzung dafür, dass sich die Menschen in der Stadt wohlfühlen. Eine funktionierende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, ist Aufgabe der öffentlichen Hand – das ist in der Stadtberner Politik unbestritten. Die Infrastrukturanliegen sind bei der Politik stets auf offene Ohren gestossen – auch weil wir glaubhaft aufzeigen konnten, dass die Projekte notwendig sind.


"Wasser lief in die Elektroschächte, der Strom in der Umgebung fiel aus. Irgendwann lief das Wasser durch die Bundesgasse und weiter die Monbijoustrasse hinunter. Wir mussten sehr schnell reagieren, auch kommunikativ. "

Reden wir über das Beschaffungsrecht: Die Stadt Bern verfügt über eine Beschaffungskommission. Ist diese aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Unbedingt. Die Kommission ist paritätisch zusammengesetzt und bietet so Gewähr, dass Beschaffungsverfahren korrekt und mit hoher Qualität abgewickelt werden. Sie ist die Garantin dafür, dass den Behörden der Stadt nie vorgeworfen werden kann, es sei bei einer Beschaffung etwas nicht mit rechten Dingen zu- und hergegangen.

Das Beschaffungswesen der Stadt Bern gibt unter den usic Mitgliedern immer wieder zu reden. Dabei geht es insbesondere um die Tatsache, dass bei der Angebotsbewertung auch Minuspunkte vorgesehen sind und der Preis somit noch höher gewichtet wird. Welche Meinung haben Sie dazu?

Das Beschaffungswesen der öffentlichen Hand hat zum Ziel, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot eines privaten Anbieters beschafft wird. Das wirtschaftlich günstigste Angebot ist aber nicht immer das billigste! Wenn beispielsweise bei anspruchsvollen Dienstleistungen – etwa im Planer- oder Ingenieurbereich – der tiefe Preis eines Anbieters zu starkgewichtet wird, besteht die Gefahr, dass die Qualität der intellektuelle Arbeit leidet und der Auftraggeber unverhältnismässigen Aufwand bei der Kontrolle dieser Leistung erbringen muss – immerhin sprechen wir bei Planern und Ingenieuren auch vom «Treuhänder des Bauherrn». Zudem erlebe ich immer wieder, dass bei solchen Billigangeboten die Anzahl der nicht begründbaren Nachtragsforderungen deutlich höher ist und seitens Auftraggeber erneut zusätzlicher Aufwand entsteht. Weiter stelle ich bei Billigangeboten fest, dass sich anschliessend die Bauausführung oft übermässig verteuert oder das fertige Bauwerk eine mindere Qualität aufweist. All diese Zusatzaufwendungen auf Bauherrenseite sind meiner Ansicht nach höher als der Spareffekt durch Billighonorare. Es gibt tatsächlich in der Stadt Bern eine gewisse Tendenz, sich zu stark an der Höhe der Planungs-, Beschaffungs- und Investitionskosten zu orientieren und den Kosten für Betrieb und Unterhalt zuwenig Gewicht beizumessen. Das ist fatal. Diese Zusammenhänge müssen der Politik und der Öffentlichkeit immer wieder erklärt werden. Insofern ist mir der «Design to cost»-Ansatz sehr sympathisch: Da wird von Anfang an nach dem klaren Nutzen eines Projekts gefragt und von Anfang an auch jene Kosten in die Betrachtung einbezogen, die erst nachträglich anfallen. Das Gesamtpaket muss das wirtschaftlich günstigste sein!

Ähnlich wie bei der BKW wird zudem moniert, dass die Stadt Bern in ihren Tätigkeiten mehr und mehr in den privaten Dienstleistungsmarkt vordringt. So ist sie zum Beispiel auch als Bauherrenunterstützerin in anderen Gemeinden tätig – eine klassische Dienstleistung von Planungsbüros. Wie denken Sie darüber?

Klagen von privaten Anbietern, sie würden von Unternehmen der öffentlichen Hand konkurrenziert, sind verständlich – ob sie aber auch immer berechtigt sind, muss im Einzelfall geprüft werden.

Viele Planer beklagen sich immer wieder über das sehr tiefe Preisniveau ihrer Leistungen. Sie machen dafür vorab das öffentliche Beschaffungswesen verantwortlich. Wie sehen Sie die Situation? Wo sehen Sie Lösungen?

Ich bin, ehrlich gesagt, manchmal geradezu erschüttert, wenn ich in Offerten von Planungshonoraren von 80 bis 90 Franken pro Stunde lese. Wer ist für diese Preise verantwortlich? Wir sind es nicht. Ich bezahle lieber ein anständiges Planungshonorar als später aus dem Ruder laufende Betriebs-, Unterhalts- und Sanierungskosten. Aber wie gesagt: Es gibt bei einigen Bauherren auf dem Markt eine gewisse Tendenz, kurzfristig möglichst Geld zu sparen, ohne dass genügend bedacht wird, dass da mittel- und langfristig mehr Schaden als Nutzen gestiftet wird. Eine einfache Lösung für dieses Problem wird es wohl nie geben, es braucht vielmehr immer wieder Überzeugungsarbeit und den Mut, andere Wege zu gehen. Die Einführung von Negativpunkten bei der Preisbewertung geht dabei ganz klar in die falsche Richtung. Noch einmal: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollen für ihr Geld die wirtschaftlich vorteilhafteste Lösung erhalten.

Im Zuge der Totalrevision des Beschaffungsrechts soll die Rechtsgrundlage des Bundes(BöB/VöB) mit der interkantonalen Vereinbarung (IVöB) harmonisiert werden. Welches sind aus Sicht der Stadt Bern die wichtigsten Anliegen, damit qualitativ hochstehende Planerleistungen möglichst effizient beschafft werdenkönnen?

Wie gesagt: Die Stadt Bern ist, was die Beschaffung angeht, meiner Meinung nach auf gutem Kurs. Kritik übe ich bloss in einem Bereich: Die aktuelle Situation ist für Planer-, Architekten- und Ingenieurleistungen sehr unbefriedigend. Die Hebelwirkung einer guten Planung auf den Endpreis eines Projekts (Investitions- und Lebenszykluskosten) kann mit der aktuellen Beschaffungspraxis nicht in genügendem Mass gewürdigt werden. Die Folgen sind erzwungener Minimalismus in Leistung und Qualität auf Anbieterseite und enormer Aufwand für Auftraggeber wie Auftragnehmer im Nachtragsmanagement. Allerdings sind die Planer selbst die Hauptverantwortlichen für die tiefe Preisentwicklung in der Branche. Es scheint jegliche Branchensolidarität und Weitsicht bezüglich der Konsequenzen zu fehlen. Die tiefen Preise fördern die Auslagerung nicht standortgebundener Leistungen ins Ausland. Dadurch wird auch unser Nachwuchs an qualifizierten Fachleuten auf der Bauherrenseite beeinträchtigt. Gemessen an der strategischen Bedeutung unserer Infrastrukturen ist diese Entwicklung verantwortungslos und kann nur in neue Bahnen gelenkt werden, wenn Beschaffer und Anbieter mehr Bereitschaft zeigen, gemeinsam nach besseren Lösungen im Beschaffungsprozess zu suchen. Eine effiziente Beschaffung bedeutet, bei minimalem Beschaffungsaufwand für den Bauherrn und bei minimalem Offertaufwand für den Anbieter eine optimale Planungsleistung zu erhalten. Hierfür sollten vermehrt die Schwellenwerte für freihändige Vergaben maximal ausgenutzt werden. Ausschreibungen im Einladungsverfahren oder im offenen Verfahren sind stets mithohen volkswirtschaftlichen und administrativen Kosten verbunden. Hier braucht es bei den Vergabebehörden mehr Mut, dem politischen Druck im Interesse der Wirtschaftlichkeit standzuhalten. Andererseits muss die beste Qualität zum besten Preis beschafft werden. Weil Planerleistungen eine hohe Hebelwirkung auf die Gesamtprojektkosten haben, müssen offensichtliche Tiefpreisangebote zwingend auf ihre Plausibilität hinüberprüft und wenn nötig vom Vergabeprozess ausgeschlossen werden können. Die Anliegen von usic sowie SIA und insbesondere der Allianz für einfortschrittliches öffentliches Beschaffungswesen AföB gehen hier in die richtige Richtung. Es braucht keine protektionistischen Massnahmen, sondern den erklärten Willen von Politik und Behörden, bei intellektuellen Dienstleistungen die qualitativen Zuschlagskriterien deutlich höher zu gewichten als das Preiskriterium. Eine Preisplausibilitätsprüfung muss zwingend sein und bei unbefriedigendem Ergebnis soll ein Angebotsausschluss verfügt werden können. Die Totalrevision des Beschaffungsrechts ist noch nicht abgeschlossen und in einigen Punkten offenbar höchst umstritten. Aber in der Stadt Bern konnten wir mit der Anhebung der Schwellenwerte per 1. Januar 2018 einen weiteren Schritt tun, um qualitativ hochstehende Planerleistungen zu beschaffen: Neu können wir Planerleistungen bis CHF 100 000.00 ohne Konkurrenzofferte beschaffen. Die bislang obligatorische Zweitofferte ab CHF 25000.00 wurde gestrichen.

Wo bestehen für Sie im geltenden Recht für die Stadt Bern die grössten Herausforderungendiesbezüglich?

Die grösste Herausforderung ist und bleibt, der Politik, aber auch den grossen privaten und halbprivaten Auftraggebern verständlich zu machen, dass Planer-, Architekten- und Ingenieurleistungen hoch komplex sind und einen enorm grossen und wichtigen intellektuellen Wert haben, der seinen Preis hat. Das ist kein Produkt, das man ab Stange kaufen kann. Ich will die besten Planer und Ingenieure, nicht die billigsten. Das rechnet sich auch. Ich verweise noch einmal auf «Design to cost».

"Gemessen an der strategischen Bedeutung unserer Infrastrukturen ist diese Entwicklung verantwortungslos und kann nur in neue Bahnen gelenkt werden, wenn Beschaffer und Anbieter mehr Bereitschaft zeigen, gemeinsam nach besseren Lösungen im Beschaffungsprozess zu suchen."

BIM ist in aller Munde und auch in der Stadt Bern wurde dazu ein Vorstoss eingereicht. Wo steht die Verwaltung punkto Digitalisierung in der Bauplanung?

Die grosse Bedeutung von BIM ist auch in der Verwaltung der Stadt Bern unbestritten. BIM ist die Zukunft, und darum muss auch ein Infrastrukturamt mit den Entwicklungen im Bauwesen, insbesondere im Bereich der Digitalisierung, Schritt halten, Erfahrungen mit neuen Technologien sammeln und neue Standards definieren. Die Stadt Bern hat die Absicht, mit anderen öffentlich-rechtlichen Bauherrschaften sowie Verbänden und Organisationen ergebnisoffen zusammenzuarbeiten, um Normen, Gesetze, Standards und Verfahren zu definieren. Damit sollen wichtige Grundlagen geschaffen werden, damit das Potenzial dieser Technologie gezielt genutzt werden kann. Mit Pilotprojekten im Hoch- und Tiefbau sollen Erfahrungen gesammelt werden. Beispielsweise gilt es, den spezifischen Nutzen pro Phase (Planung, Bau, Betrieb und Unterhalt) zu überprüfen und unterschiedliche Anforderungen bezüglich der Nutzung der Anlagen zu berücksichtigen. BIM ist übrigens auch Thema eines interfraktionellen Postulats, das unlängst im Berner Stadtrat eingereicht wurde: Es heisst «Von der Digitalisierung im Bauwesen profitieren – mit BIM indie Zukunft». Es stösst nicht nur bei mir auf offene Ohren.

Sind sich diesbezüglich und aus Ihrer Sicht die Stadtberner PolitikerInnen und Verwaltungsangestellten bewusst, welche Veränderungen und Vorteile auf unszukommen?

Ich kann nur für die Verwaltungsangestellten in den Bau- und Planungsämtern sprechen: Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass die Planungsprozesse automatisierter werden und auch , dass sich damit die Berufsbilder verändern werden. Das bedeutet: Langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Fachämtern müssen zusätzlich geschult werden, junge Auszubildende – an den Hoch- und den Fachhochschulen – müssen so rasch wie möglich mit den neuen Technologien vertraut gemacht werden. Es braucht eine regelrechte Bildungsoffensive – zumal ja nicht nur der Bauprozess digitaler wird, sondern der ganze öffentliche Raum: Wir werden automatisierte Fahrzeuge, elektrobetriebene öV-Systeme und einen digitalisierten Untergrund haben – all das wirkt sich in Zukunft auch massiv auf die Tätigkeit der Verwaltung aus.

Wenn Sie drei Infrastrukturwünsche für die Stadt Bern frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Ich wünsche mir erstens, mehr Wertschätzung der Bevölkerung für all das, was unsichtbar im Untergrund des öffentlichen Raums stattfindet: die Versorgung mit Wasser, Energie und Kommunikation, die Entsorgung des Abwassers. Darüber wird zu wenig geredet, das ist für die Leute einfach selbstverständlich. Die Leitungen sind das unterirdische Nervenzentrum einer Stadt – wenn sie nicht funktionieren, bricht Chaos aus. Ich wünsche mir, dass das auch von der breiten Bevölkerung erkannt, verstanden und wertgeschätzt wird. Das Tiefbauamt hat ja anlässlich seines 150-Jahr-Jubiläums 2015 auf dem Bahnhofplatz mit Farbe markiert, was so alles unter dem Boden liegt. Zweitens wünsche ich mir, dass die Stadt Bern mit einer klugen Verkehrspolitik weiterhin darauf bedacht ist, den motorisierten Individualverkehr auf den Hauptachsen zirkulieren zulassen, aber die Quartiere vor Durchgangsverkehr zu schützen. Und drittens wünsche ich mir, dass dereinst im Grossraum Bahnhof genügend Zirkulationsfläche für Velofahrerinnen und Velofahrer sowie für Passantinnen und Passanten zur Verfügung steht. Dazu gehören auch eine neue Personenunterführung vom neuen Bahnhofausgang beim Bubenbergplatz zum Hirschengraben hin sowie ein intelligentes unterirdisches Veloabstellsystem – zum Beispiel unter dem Hirschengraben.

Hans-Peter Wyss (58) war vom April 2002 bis Januar 2018 Berner Stadtingenieur und Leiter des Tiefbauamts der Stadt Bern. In dieser Funktion war er hauptverantwortlich für Planung, Realisierung, Bau, Betrieb und Unterhalt der städtischen Tiefbauinfrastruktur – also von Strassen, Plätzen, Brücken, Lichtsignalanlagen, Wasserbauten und Abwasseranlagen auf dem Gebiet der Stadt Bern. Wyss gestaltete das Tiefbauamt und damit dessen rund 350 Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter in seiner knapp 16-jährigen Tätigkeit zu einer modernen Dienstleistungsorganisation um und realisierte als Stadtingenieur zahlreiche Grossprojekte, so etwa die Neugestaltung des Bundesplatzes (2004) und des Bahnhofplatzes (2008), die Inbetriebnahme des Trams Bern West (2010), die Gesamtsanierung der Marktgasse (2013) und des Eigerplatzes (2017). Wyss, der auch Präsident der Fachgruppe Stadt- und Gemeindeingenieure beim Schweizerischen Städteverband und Vorstandsmitglied des Verbandes Schweize rAbwasser- und Gewässerschutzfachleute war, hat auf Ende Januar 2018 demissioniert und will sich beruflich neu orientieren. Hans-Peter Wyss ist verheiratet, Vater zweier erwachsener Töchterund lebt in Hessigkofen (SO).